Museum Winningen

.1.Hervüergehollt: Die Schuhmacherei Lampersbach

Die Familiengeschichte der Lampersbachs reicht weit zurück bis ins 16. Jahrhundert. Der Familienname Lampersbach kommt ursprünglich aus dem Salzburger Land in Österreich, dort gibt es einen namensgebenden Ortsteil und ein Hofgut.

Die Vorfahren von Alfred Lampersbach kamen um 1530 nach Deutschland und ließen sich aus religiösen Gründen in der Ortschaft Butweidschen, Kreis Goldap im protestantischen Ostpreussen nieder.

Alfreds Großonkel Friedrich Lampersbach ging von dort auf Walz und ließ sich 1890 in Winningen als Gerber und Schumacher nieder. Er führte von 1901 bis 1922 am Zehnthof einen Schuladen.

Der Vater von Alfred, Fritz Lampersbach, folgte 1907 als Ziehsohn und erlernte bei seinem Onkel das Schuhmacherhandwerk. Er fand hier eine neue Heimat, machte 1927 die Meisterprüfung und übernahm den Betrieb, allerdings ohne die Gerberei. Mit seiner Handwerkskunst erlangte er zwar keine Reichtümer, konnte aber seine Familie ernähren und ein auskömmliches Leben führen. Insbesondere zur Winterszeit war seine beheizte Werkstatt ein beliebter Treffpunkt für viele Winninger, die sich hier aufwärmten und bei einem mitgebrachten Schoppen zu den wichtigsten Themen der Welt austauschten.

Zu seiner Zeit gab es einige Schuhmacher in Winningen:

  • Wilhelm Graf (im Spital)
  • Fa. Dankenbring (Türmchenstraße 4)
  • Wilhelm Saas, (Marktstraße)
  • Eduard Wacker (Türmchenstraße)
  • Fa. Griesenbach (Bachstraße)
  • Friedrich Löwenstein (Marktstraße)

Während sich der „Schuster“ auf das Reparieren von Schuhen beschränkte, stellte der „Schuhmacher“ im Kundenauftrag individuelles Schuhwerk her. Der „Schäftemacher“, ein eigener Berufszweig, stellte das sogenannte Oberteil des Schuhs, also von der Sohle an aufwärts, aus Leder her.

Die Herstellung von Schuhen war aufwendig und teuer. Die Schuhe für die verschiedenen Bedürfnisse wichen voneinander ab:

  • Feines, modernes und leichtes Schuhwerk für das Tragen an Fest- und Sonntagen sowie
  • robustes, strapazierfähiges, trittsicheres und ggfs. wasserdichtes Schuhwerk für den Alltag oder die Berufsausübung, z. B. im Weinbau und bei der Jagd. Wingertsschuhe hatten Stoßeisen und Nägel unter der Sohle.

Alfred selbst lernte in der elterlichen Werkstatt ebenfalls das Schuhmacherhandwerk, machte jedoch keinen Anschluss in Form der Gesellenprüfung.

Alfred Lamperspach erklärte uns anhand von Beispielen, alten Werkzeugen und Maschinen, Lederstücken und sonstigen Materialen den Herstellungsprozess vom Lederstück zum fertigen Schuh:

  • Das Aufmessen des Kundenfußes. Dabei wurde von der Fussform eine Zeichnung erstellt, indem die Fussform auf Papier umrissen wurde. Mit einem speziellen Zollstock wurde die Länge des Fußes gemessen. Drei Fußmessungen erfolgten am Ballen, am Rist und an der Ferse bzw. dem Knöchel;
  • Das individuelle Anpassen der hölzernen Fußmodelle, Leisten genannt, an das Aufmaß. Hierbei wurde ein universelles Fussmodell aus Holz mit Lederstücken aufgefüttert, um es auf das Aufmass des Kunden zu bringen und dessen Fussform nachzuempfinden;
  • Das Aufziehen des unterschiedlichen Leders für die einzelnen Bestandteile des Schuhes auf diesen Leisten mit voneinander abweichenden Befestigungsmethoden:
  • Dies war bei genagelten Schuhen der Einsatz von Holzstiften, „Pinn“ genannt, und solchen aus Eisen. Dabei wurde das Oberteil des späteren Schuhs mit diesen Nägeln rundherum an der Sohle befestigt, früher mit Hand, später mit der Holznagelmaschine.
  • Bei genähten Schuhen wurde zunächst ein Faden aus Hanf vorbereitet, in dem er mit Pech getränkt und so schwarz gefärbt wurde („Pechdraht“). Mittels dieses Fadens wurden dann die Bestandsteile des Schuhs miteinander durch Nähen verbunden.

Er gab uns auch kleinen aber aufschlussreichen Einblick in die Geschäftsführung und Abrechnungspraxis zwischen Winzer und Schuhmacher in der „guten alten Zeit“. Damals dauerte das Herstellen von einem Paar Schuh von etwa 3 Tagen bis zu einer Woche.

Überlebt hat diese Handwerkskunst vor allem in den individuellen Anfertigungen aus gesundheitlichen Gründen in Orthopädie-Werkstätten.

Die sehr anschaulich und launig, überwiegend in seiner „Moddersproch“, dem Winninger Platt vorgetragenen Ausführungen von Alfred Lamperspach wurden abschließend eindrucksvoll in einem etwa 10 - minütigen Film einer bayrischen Schuhmanufaktur belegt, in dem die Herstellung von einem Paar Schuh auf genau diese Weise gezeigt wurde.

Der emotionale Höhepunkt dieses wunderbaren Abends war jedoch die Vorstellung des letzten Schuhpaares, das der Vater im Alter von etwa 80 Jahren um 1970 herum angefertigt hatte. Das Paar Schuhe wurde spontan in die Ausstellung des Museums übernommen.